Die Fähigkeit, Anerkennung zu geben
Wir alle brauchen Anerkennung wie die Luft zum Atmen, bekommen jedoch nie genug davon. Dabei ist die Suche danach eine zentrale Motivation bei der Arbeit. Ich stelle in meiner täglichen Praxis immer wieder fest, dass Anerkennung als anzustrebender Wert oft höher eingestuft wird als ein überdurchschnittliches Gehalt. Wird sie von Chefs gewährt, dann gibt es einen großen Motivationsschub und damit eine höhere Produktivität durch das gestiegene Selbstbewusstsein. Umso erstaunlicher ist es, dass Vorgesetzte durch die Bank Schwierigkeiten damit haben.
Die Fähigkeit zur Anerkennung von Leistung, aber auch von persönlichen Merkmalen wie individuellen Stärken, Charaktereigenschaften und Fähigkeiten ist also ideal zur Förderung von Zufriedenheit im Beruf und damit ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens. Nicht zu unrecht gehört sie deshalb zu den allseits begehrten sozialen Kompetenzen, die bei der Einstellung von Führungskräften eine Rolle spielen. Natürlich können sich Mitarbeitende auf einer Hierarchieebene auch Anerkennung geben, aber sie wirkt im Bezug aufs Selbstbewusstsein erst wirklich, wenn sie von Vorgesetzten, und damit von „Elternfiguren“ kommt.
Gut und schön. Wenn adäquate Anerkennung der Mitarbeitenden die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens steigert und außerdem dem psychischen Wohlbefinden und damit dem Arbeitsklima ausgesprochen gut tut, warum mangelt es denn dann daran? Die Forderung nach Würdigung der geleisteten Arbeit in Form von Gehaltszulagen, in Form von Beförderung, oder auch einfach durch ein Lob, ist ja nichts Neues. Die häufige Unfähigkeit dazu ist unter anderen darauf zurück zu führen, dass wir in unserer Kultur dazu erzogen werden, an uns und anderen zuerst das Negative festzustellen, denken Sie nur an die Schulzensuren. Und wer bei sich selbst schmerzhaft immer nur das Fehlende sieht, der wird eher nicht in der Lage sein, bei anderen Lobenswertes zuzulassen. Was ausgesprochen schade ist. Denn neben den schon genannten wirtschaftlichen Auswirkungen nimmt man sich Lebensqualität durch die triste Fixierung aufs Negative. Der erste Schritt zum Verlassen dieses Mechanismus ist es, sich an der eigenen Leistung , wie bescheiden auch immer, zu freuen, dann kann man mit zunehmender Tendenz auch die Leistung anderer würdigen und muss sie nicht aus Angst, selbst zu kurz zu kommen, nieder machen. Leider ist dann noch immer nicht Eitel Sonnenschein ausgebrochen, denn das Aussprechen von Lob will auch gelernt sein. Menschen reagieren ausgesprochen empfindlich darauf, wenn lediglich die Schulterklopfmaschine angeworfen wird. Was tun? Schritt zwei lautet dann folgerichtig: Anerkennung muss immer ehrlich gemeint sein, wenn sie ihr Ziel erreichen soll. Und ehrliche Bewunderung anderer hat immer mit persönlicher Größe zu tun – die am effizientesten zu erreichen ist, wenn man sich selbst mag. Womit sich der Kreis zu Schritt eins schließt.
Ein besonderer Hinweis: Die angemessene Antwort auf eine Anerkennung ist übrigens ein lächelndes „Danke“. Auch das Annehmen von Lob will gelernt sein!