Die Aussage des Arbeitsplatzes
Um es gleich eingangs zu erwähnen: Es geht in diesem Text nicht darum, ob der Schreibtisch aufgeräumt ist oder nicht. Die Beurteilung eines Mitarbeitenden seitens mancher „Experten“ via Schreibtisch ist eine heikle Sache, denn Ordnung muss keineswegs Strukturiertheit bedeuten, sie kann genauso auf Kleinkariertheit zurückzuführen sein, Unordnung ist nicht gleich Unfähigkeit, sie kann auch zu einem aktiven und offenen Menschen gehören. Bei der Interpretation lediglich einzelner Faktoren ist immer Vorsicht geboten und eine solche Vorgehensweise gehört deshalb in die Rubrik „Finger weg“, ähnlich wie die Aussage unserer Großeltern: „Wer langsam isst, arbeitet auch langsam.“ – es ist schlichter Unsinn.
Allerdings gewährt die Gestaltung des Arbeitsplatzes trotzdem Einblick in den persönlichen Geschmack, in die soziale Herkunft und in die Vorlieben des Mitarbeitenden. Zum Glück hat es sich herum gesprochen, dass das Aufhängen von Pin up Girls über dem Schreibtisch nicht gerade von gutem Geschmack zeugt und deshalb findet man sie nur noch selten in Büroräumen, dafür erfreuen sich mehr oder weniger intelligente Bürosprüche weiterhin großer Beliebtheit. Postkartensammlungen, Stofftiere, Medikamentenpackungen geben Besuchern einen unfreiwilligen Einblick in die Reisebewegungen des Bekanntenkreises (ist es der Massenstrand auf Mallorca oder das antike Griechenland?), das gefühlte Alter (muss vielleicht in den Pausen mit den Stofftieren gekuschelt werden?) und die Befindlichkeit (Magentabletten?! Oh, da sollte ich vorsichtig sein…). Als Person, die hier arbeitet und einen großen Teil ihrer Zeit verbringt, sollte man sich ernsthaft fragen, ob man Außenstehenden solche Einblicke gestatten sollte.
Aber gerade weil man hier viel Zeit verbringt, soll der Arbeitsplatz auch Persönliches ausstrahlen und Dinge beherbergen, die ein Gefühl von Vertrautheit geben. Wie gelingt dieser Spagat? Ein hochwertiger Druck eines Kunstwerkes kann diese Rolle einnehmen, es muss aber auf jeden Fall gerahmt oder hinter Glas sein. Frische Blumen in einer ansprechenden Vase (weder Plastikblumen, noch Einmachgläser als Vasenersatz), stilvoll ist auch eine einzelne Blüte in einer farblich passenden Vase. Ein Bücherregal mit der eigenen Fachliteratur erzeugt eine vertraute Atmosphäre, eine Vitrine oder ein besonderer Platz in einem Regal mit persönlichen, aber neutralen Gegenständen (wenige!) kann zum Ruhepunkt für das Auge werden. Man bringt so auf eine unaufdringliche Art und Weise seine Persönlichkeit zum Ausdruck, man hat Inseln des emotionalen Rückhalts, ohne aufdringlich zu sein. Wieder einmal gilt der Grundsatz „Weniger ist mehr“.
Ein besonderer Hinweis: Eine ästhetisch ansprechende Umgebung wird von einer zunehmenden Zahl von Menschen geschätzt. Sie bietet kleine Räume der Erholung in einer als unbefriedigend erlebten Umgebung.