Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance?
Diese Binsenweisheit ist vertraut und weckt, je nach persönlicher Disposition, Leistungsdruck und Widerspruch. Bestehen wir denn nicht aus mehr, als auf den ersten Blick sichtbar wird? Was nimmt man schon im ersten Moment wahr, es ist doch nur das, was der andere von sich zeigen will und was er dementsprechend in Szene setzt. Muss ich mich denn immer so kleiden und benehmen, dass der bestmögliche Eindruck entsteht? Was ist denn dann, wenn ich mich einmal nicht wohl fühle, die Frisur nicht sitzt und ich aus Versehen over- oder underdressed bin?
Um diesen Mythos vom ersten Eindruck zu entschleiern betrachten wir uns die Facetten, aus denen er sich zusammen setzt. Laut Elisabeth Bonneau hat wesentliche Anteile beim vorbewussten Wahrnehmen einer Person das Äußere, das Verhalten im Raum, die Mimik – hier im Wesentlichen das Lächeln, Gemeinsamkeiten, der Name und die Sprache, bzw. der Dialekt.
Wenn die Begegnung fort dauert, dann werden permanent neue Eindrücke mit der Ursprungswahrnehmung, die sich auf die Interaktion bezieht, verglichen, der erste Eindruck erfährt eine Erweiterung in der Bestätigung des Vorherigen oder in der Korrektur. Dabei wird ein zentrales Merkmal als „Richtschnur“ herausgegriffen, das Rückschlüsse auf die gesamte Person provoziert. Zum Beispiel wird jemand, der sich höflich verhält als gebildet und hilfsbereit eingestuft, wer bei der Begrüßung patzig ist, gilt auch in anderen Zusammenhängen als unsympathisch und als nicht kooperativ. Eine große Rolle spielt auch der Ort der Begegnung, das hießt, es ist nicht unerheblich, ob man den Bäcker in der Bäckerei antrifft oder bei einer Tanzveranstaltung, die Ärztin in der Praxis oder in einer Diskussionsrunde. Denn ein Beruf ist in einem Klischee gefangen und das Verlassen des Klischees macht neugierig auf den Menschen, der hinter dem Bild steht.
Am Ende der Begegnung, beim Abschied, geht es nochmals ums Ganze, denn hier steigt die Aufmerksamkeit wieder an. Der Abschied wird wieder mit dem ersten Eindruck verglichen und bildet damit sozusagen ein Kondensat der vorausgegangen Begegnung. Er prägt entscheidend die Erinnerung an die Person.
Ein besonderer Hinweis: Auch ein unsympathischer Mensch erweist sich, wenn man sich der Mühe des näheren Kennenlernens unterzieht, als jemand, der sich aufgrund seiner Vorerfahrungen und seiner Geschichte angemessen verhält. Damit gewinnt er wieder an Sympathie. Ein zweiter Versuch lohnt sich also allemal.