Smalltalk unter schwierigen Bedingungen – Teil 2
Beim Smalltalk geht es um Beziehung, dann ist das Gespräch gelungen. Nun sagt der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun, dass jede Botschaft oder Mitteilung, also alles das, was in einem Gespräch gesagt wird, vier Ebenen enthält. Es ist die Sachebene, die Beziehungsebene, der Appell und die Selbstoffenbarungsebene. Und diese letzte Ebene weckt Ängste und steht damit oft einem gelungenen Smalltalk im Weg.
Aus persönlichen Gründen, oder auch aus gesellschaftlichen („das sagt man nicht“, „nimm Dich nicht so wichtig“,…) wird die Selbstoffenbarungsangst geweckt. Sie beruht meist auf der Annahme, dass das Gegenüber negativ reagieren wird, wenn man zuviel von sich zeigt. Aber es nutzt nichts, man zeigt bereits sowieso in den ersten 30 Sekunden eines Gesprächs erstaunlich viel von sich, das Gegenüber nimmt es auf und gibt seinerseits Informationen über sich weiter. Und hier entscheidet es sich, ob es ein gelungener Kontakt wird oder nicht.
Gute „Smalltalker“ sind sich dieser Selbstoffenbarungsangst bewusst und respektieren sie bei sich selbst und auch bei ihrem Gesprächspartner. Sie wissen, dass ein großer Teil der Energien in die Konstruktion des Selbst gesteckt wird und überschreiten weder die eigenen Grenzen, noch die des Gegenübers, indem sie in dieser Angst herumbohren und den Gesprächspartner auf ein Terrain ziehen wollen, das ihm nun mal in dieser Situation nicht entspricht.
Geschickter Weise sollte man dazu die gängigen Angstabwehrmechanismen bei sich und anderen kennen und sich darauf einstellen. Sie lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Die Imponiertechnik und die Fassadentechnik. Die Imponiertechnik ist daran zu erkennen, dass ein Bemühen deutlich wird, sich von der besten Seite zu zeigen. Es wird sich aufgespielt, sich produziert und beweihräuchert. Elegant und unauffällig fließt in den Sachinhalt ein, was dem eigenen Prestige dient. Es kann in Form einer schwer verständlichen Sprache sein, es kann den Heimspiel-Vorteil betreffen, indem das Gespräch auf ein Gebiet gelenkt wird, wo man mit dem eigenen Wissen angeben kann oder beiläufig werden Statussymbole genannt, die man sein eigen nennt.
Die Fassadentechnik dient dazu, alles das zu verbergen, was dieser Mensch an sich selbst nicht mag, beziehungsweise was ihr peinlich an sich ist. So präsentieren sich diese Menschen gern sachlich und unpersönlich, abgehoben oder abstrakt in ihrer Sprache. Mimik und Gestik wirken eingeschränkt und der Tonfall ist distanziert. Auch das Reden von „man“, „wir“ oder „es“, wenn es eigentlich um einen selbst geht, gehört hierher.
Ein guter Gesprächspartner für diese Formen der Abwehr von Selbstoffenbarungsangst teilt diese Angst und weiß, dass sie bei allen Menschen – also auch bei ihm – immer wieder auftauchen, er ist aber darin bereits ein paar Schritte weiter gegangen. Der Weg dazu führt über die Selbsterkenntnis. „Wer bin ich?“, „Was macht mich unverwechselbar?“, „Welchen Nutzen bringe ich anderen?“ Diese Selbsterkenntnis setzt ein Mindestmaß an Selbstbewusstsein voraus und die Fähigkeit, sich im jeweiligen Augenblick seiner eigenen Befindlichkeit bewusst zu sein. Mit der daraus erwachsenden Achtung vor sich selbst entsteht auch die Achtung des Gegenübers – in diesem Fall den Respekt vor den gezeigten Abwehrmechanismen. Dann kann respektvoll auf diese Mechanismen eingegangen werden, indem man sich auf ein durchaus interessantes Gespräch über ein Heimspiel-Thema einlässt oder bei der Fassadentechnik die Distanz akzeptiert und lediglich gut dosiert ein kleines Kompliment, z.B. über die dezente Krawatte einstreut.
Ein besonderer Hinweis: Die konsequenteste Form der Angstabwehr ist Schweigen. Es wird deshalb auch immer Menschen geben, die sich nicht in ein Gespräch ziehen lassen. Aller Bemühungen zum Trotz.