Warum trifft Mobbing die Starken?
Häufig wird in der täglichen Praxis die Frage gestellt, „warum trifft Mobbing ausgerechnet mich?“, „Was mache ich verkehrt, warum ziehe ich diese Form des Quälens auf mich?“. Diese Fragen stellen sich so drängend, dass sie der Schlüssel zu sein scheinen, der es Betroffenen ermöglicht, Distanz zur Situation zu gewinnen.
Marie-France Hirigoyen, französische Psychoanalytikerin stellt dazu zunächst eine Definition von Mobbing klar: „Unter Mobbing am Arbeitsplatz ist jede Verhaltensweise zu verstehen, die durch das bewusste Überschreiten von Grenzen – in Benehmen, Handlungen, Gesten, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen – die Persönlichkeit, die Würde oder die physische bzw. psychische Unversehrtheit einer Person beeinträchtigen, deren Anstellung gefährden oder das Arbeitsklima verschlechtern kann.“
Entgegen landläufiger, gern von den Tätern verbreiteter Sichtweisen, sind die Betroffenen keineswegs schwache, häufig kranke oder inkompetente Persönlichkeiten. Im Gegenteil, gerade die Fähigkeit, Repressalien zu widerstehen, Autorität Widerstand zu leisten oder peinlich genau zu arbeiten und ein Immer-zur-Stelle-sein zeichnen die Opfer von Mobbing überproportional häufig aus. Erst der Prozeß des Quälens lässt diese Menschen auf eine Art und Weise reagieren, die quasi im Nachgang die Sicht des Aggressors bestätigen. Bricht die gequälte Person etwa in Tränen aus oder es kommt zu einem Ausbruch des Zorns, so kann der Täter zufrieden sagen: „Na bitte, ich hab´s doch immer gewusst, dass der verrückt ist…“. Es wird der Persönlichkeit angelastet, was erst als Folge des Mobbings entsteht und man wird zu dem, was man aus ihm machen will.
Ein besonderer Hinweis: Mobbing beschränkt sich nicht auf den Arbeitsplatz. Auch im Privatleben sind solche zerstörerischen Strukturen zu finden.