FÜHREN MIT WERTEN
Führungsstile zeichnen allgemein das Verhalten von Vorgesetzten gegenüber ihren Mitarbeitern aus. Führungsstile und Arten der Unternehmensführungen stehen immer wieder im FoKus von Wissenschaftlern aus Psychologie, Soziologie und Wirtschaft. Eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen Führungsstilen hat sich daraus entwickelt. Es gibt klassische Führungsstile, moderne Führungsstile, autoritäre und kooperative Führungsstile. Führungsstile sind Zeichen der Zeit und spiegeln den Wandel der Gesellschaft.
Als Lehrbeauftragte der Evangelischen Hochschule in Darmstadt liegen Brigitte Marx-Lang die christlichen Elementarwerte wie GLAUBE, HOFFNUNG und LIEBE besonders am Herzen. Sie bilden eine gesunde Grundlage für ein glückliches, sinnerfülltes und auch erfolgreiches Leben, daher sind diese nicht nur von einem rein christlichen Standpunkt zu betrachten. Sie sind eine „geheime Waffe“ gegen Stress und Leistungsdruck, ja sogar als Vorbeugung gegen Burnout-Syndrome. Aber auch fast vergessen Primärwerte aus der Antike wie WEISHEIT, TAPFERKEIT und GERECHTIGKEIT verdienen der besonderen Betrachtung.
Brigitte Marx-Lang versteht daher das FÜHREN MIT WERTEN als eine Grundhaltung und persönliche Einstellung von Führungskräften. Daran orientieren sich dann die Verhaltensmuster innerhalb eines Unternehmens, gegenüber Mitarbeitenden oder einem Team
Führen mit Werten
Das“Führen mit Werten“ steht für eine nachhaltige und zukunftsfähige Unternehmens- und Personalentwicklung. Das englische Wort für „Wert“ ist „Value“ und dieses leitet sich aus dem Lateinischen „valere“ ab. „Valere“ bedeutet “ stark und gesund sein“.
Liebe
Die Liebe als der Primärwert schlechthin. Kurz gefasst: Schützen, stützen, fördern und fordern. Zu jeder liebevollen Beziehung gehört, den anderen in seiner Entfaltung zu unterstützen, statt ihn klein zu halten. Gemeinsam stärker werden, gemeinsam Perspektiven entwickeln. Mitarbeitende beim Wachsen und Entfalten zu helfen. Wenn Führungskräfte ihre Teammitglieder dazu anleiten, über sich hinauszuwachsen, um besser zu werden als sie selbst, entsteht eine wunderbare auf die Zukunft ausgerichtete Arbeitsbeziehung, die bestenfalls alle glücklich macht. Unsere Liebesfähigkeit basiert auf Empathie, auf Einfühlungsvermögen und Hingabe. Liebevolle Beziehungen werden nur aufrechterhalten, wenn wir eine gemeinsame Zukunft sehen. Auseinandersetzungen, Kritik und Beschwerden sind ein Indiz, dass wir an der Beziehung festhalten möchten. Privat und im Arbeitsleben. Wird an der Beziehung nicht mehr gearbeitet, die Kommunikation weitestgehend ruht, die Perspektive für eine gemeinsame Zukunft fehlt, tja, dann kommt es zur Trennung. Trennungsschmerz – auch bei Führungskräften – stellt sich ein. Der Verlust von wertvollen Mitarbeitenden wird oft zu spät erkannt.
Glaube
Der Glaube ist zunächst ein Grundvertrauen in Wert und ein wesentlicher Baustein guter Führung. Führungskräfte benötigen unbedingt den Glauben an den Menschen, an ihre Mitarbeitenden, den Glauben an das Gute im Menschen und natürlich den Glauben an sich selbst. Eine Führungskraft, die nicht an die Stärken und Fähigkeiten der Mitarbeitenden glaubt, wird ihnen nichts zutrauen und sie nicht fördern. Eine Führungskraft, die hingegen nicht an sich selbst glaubt, kann ihre Führungsaufgaben nicht authentisch wahrnehmen. Aus dem Glauben entstehen Glaubenssätze, die Einstellungen, Leitideen und Visionen spiegeln. Sie motivieren, unterstützen und geben Orientierung – sofern diese positiv und in die Zukunft gerichtet sind. Einschränkende oder gar destruktive Glaubenssätze in der Führung sind häufig erst durch eine genaue Analyse und Prüfung festzustellen und dokumentieren oft ungeahnte Potenziale.
Hoffnung
„Hoffnung als umfassende emotionale und unter Umständen handlungsleitende Ausrichtung des Menschen auf die Zukunft.“ Hoffend verhalten wir uns optimistisch zur Zeitlichkeit unserer Existenz. Hoffnung als Vertrauen darauf, die Herausforderungen unserer Zeit auch bewältigen zu können. Aber Vorsicht, die HOFFNUNG ist kein Ort zum Ausruhen, kein Ruhekissen für Sie und andere! Die eigentliche Hoffnung befeuert die überdurchschnittliche Führungskraft und macht sie damit handlungsfähig. Menschen, die keine Hoffnung haben, sind häufig depressiv, krankheitsanfällig und leistungsschwach. Deshalb ist es Aufgabe von Führungskräften, die Rolle des Hoffnungsträgers für sich zu entwickeln und Mitarbeitenden Hoffnung zu schenken. Wahrlich keine leichte Aufgabe. Sind Sie erst in dieser Rolle, wächst der Druck, die Angst zu versagen, den Hoffnungen nicht gerecht werden zu können. Die große Sorge, zu enttäuschen. Hoffnungen und Perspektiven sind ganz zentrale Herausforderungen unserer Zeit.
Maß
Das Maß als ein besonders gefährdeter Wert! Maßlosigkeit ist gesellschaftlich akzeptiert und wird wirtschaftlich gefördert. Wirtschaftliche Gewinne können gar nicht hoch genug sein. Wir Menschen verlieren darüber den Blick auf unser eigenes Sättigungsmaß; wir verlieren das Maß beim Arbeiten, leiden unter Burn-out-Syndromen und sehnen uns mehr und mehr nach einer „Work-Life-Balance“.
Zum Maß gehört auch das rechte Zeitmaß. Nach Phasen der Beschleunigung sind Phasen der Entschleunigung erforderlich. Eine Führungskraft, die ihr Zeitmaß nicht kennt und befolgt, ist nicht mehr „intakt“, sondern „taktlos“. Sie verletzt durch ihre Taktlosigkeit andere Menschen, häufig unbeabsichtigt oder sogar unwissentlich.
Maßlosigkeit hat viele Facetten, Maßlosigkeit macht krank und kann die Ursache für die Demotivation von Mitarbeitenden sein. Werte hingegen machen stark. Werte bilden die Quelle eines gesunden Lebens und sollten in einer gesunden Führungskultur fest verankert sein.
Gerechtigkeit
„Autorität wie Vertrauen werden durch nichts mehr erschüttert als durch das Gefühl, UNGERECHT behandelt zu werden“, wusste bereits der deutsche Schriftsteller Theodor Storm. Gerechtigkeit als eine menschliche Tugend und wesentlicher Wert Ihres Führungsstils. Gerechtigkeit beinhaltet zunächst, sich selbst und anderen gerecht zu werden. Wer sich selbst nicht gerecht wird, kann auch anderen gegenüber nicht gerecht sein. Verwechseln wir aber Gerechtigkeit bitte nicht mit Gleichmacherei! Gleichmacherei innerhalb eines Teams ist wahrlich keine Führung. Erst die Differenzierung, die den Einzelnen aus der Gruppe heraus hebt und ihm entsprechende Kompetenzen zuschreibt ist die eigentliche Gerechtigkeit. Menschen gerecht zu führen bedeutet, ihre individuellen Stärken und Schwächen zu berücksichtigen. Gerechtigkeit bedeutet, Entscheidungskriterien klar und transparent zu kommunizieren, so dass Sie als Führungskraft berechenbar handeln. Gerecht ist also, wenn Mitarbeitende ihren Stärken entsprechend gefördert beziehungsweise eingesetzt werden und wissen, welche nachvollziehbaren Faktoren ihre Entlohnung, Beurteilung und Beförderung bestimmen. Das klingt wie selbstverständlich? Leider nicht.
Weisheit
Die Weisheit basiert auf Klarheit und ist Voraussetzung für den weisen Umgang mit sich selbst und anderen. Weisheit bezeichnet heute laut Definition vorrangig ein tiefgehendes Verständnis von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft sowie die Fähigkeit bei Problemen und Herausforderungen, die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu identifizieren. Arthur Schopenhauer hat es einst so formuliert: „Ein wichtiger Punkt der Weisheit besteht in dem richtigen Verhältnis, in welchem wir unsere Aufmerksamkeit teils der Gegenwart, teils der Zukunft widmen, damit nicht die eine uns die andere verderbe.“ WEISHEIT ist also gerade jetzt in diesen besonderen Pandemie-Zeiten ein hochaktueller Wert bei der Führung von Unternehmen und deren Teams, in der Führung unseres Landes. Wie weise zeigen sich z.B. jetzt die Verantwortlichen in der Wirtschaft, ihre Mitarbeitenden tatsächlich ins Homeoffice zu schicken, sofern es die Aufgaben zulassen? An dieser und anderen Weitsichten mangelt es leider noch zu oft. Ziele werden meist für einen kurz- oder mittelfristigen Zeitraum vereinbart. Eine langfristige, kluge Vision für Unternehmen mit ihren Managern und Mitarbeitenden wird oft nicht integriert. Weisheit als Führungswert sollten wir daher heute als ganz zentrale Voraussetzung für Nachhaltigkeit verstehen: ökologisch, ökonomisch und sozial. Die positive Auswirkung weiser Führung dokumentiert im übrigen auch eine hohe Mitarbeiterbindung, Mitarbeitermotivation und Leistungsbereitschaft, Ihren Beitrag als Führungskraft zum nachhaltigen Erfolg Ihres Unternehmens sowie Ihre Vorbildfunktion.
Tapferkeit
Tapferkeit als ein Wert der Antike, ein Komplex herausragender physischer wie charakterlicher Eigenschaften, die einen erfolgreichen Krieger ausmachten. Übersetzt in unsere Welt, beschreibt Tapferkeit die Fähigkeit, in einer schwierigen, mit Nachteilen verbundenen Situation trotz Rückschlägen durchzuhalten. Sie setzt Leidensfähigkeit voraus und ist meist mit der Überzeugung verbunden, für übergeordnete Werte zu kämpfen. Der Tapfere ist bereit, ohne Garantie für die eigene Unversehrtheit einen Konflikt durchzustehen oder einer Gefahr zu begegnen. Oft will er damit einen glücklichen Ausgang herbeiführen. Tapferkeit erfordert also Stärke. Und Mut. Mut zu manchmal unbequemen Entscheidungen, zu unbequemen Wahrheiten. (Willens-)Kraft um gegen Widerstände zu kämpfen, für einen besseren Weg zu streiten. Die Bereitschaft, innovativ und nachhaltig in Zukunft und Visionen zu investieren. Tapfere Führungskräfte setzen dabei auf ein stabiles Vertrauensverhältnis und einen gemeinsamen Wertekanon – im Beruf, innerhalb der Familie und der Gesellschaft. Sie vertrauen ihren Werten als Kraftquellen. Bleiben wir tapfer, denn Mut tut bekanntlich gut.
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